Wie kann man fünf Jahrzehnte Städtepartnerschaft in wenigen Absätzen zusammenfassen? Die Geschichte der Städtepartnerschaft Fouesnant Meerbusch ist so dicht, dass man dafür ein ganzes Buch bräuchte. Hier werden die wichtigsten Daten und Ereignisse dieses schönen Abenteuers vorgestellt :
Am 9. März 1967 erreichte ein VW-Bus aus Deutschland den bretonischen Ort Fouesnant. Der Wagen war zwei Tage zuvor im Dorf Strümp (damals Teil des Amtes Lank, denn die spätere Stadt Meerbusch gab es noch nicht) gestartet. An Bord befanden sich Rolf Cornelißen, Leiter der damaligen Volksschule Strümp, sein Freund Gerd Räppel und zwei Bekannte aus seiner Nachbarschaft, Frau Dohmen und Frau Strauch.
Eine anstrengende Reise durch Belgien, Frankreich lag hinter ihnen. Damals gab es nur Landstraßen, die in Richtung Bretagne immer schmaler und kurvenreicher wurden. Kurz vor dem Ziel war sogar die Rede davon, aufzugeben und zurückzukehren!
Doch Rolf Cornelißen ließ nicht locker und so kamen alle nach zwei Tagen Fahrt am späten Nachmittag in Fouesnant an.
Man muss einige Jahre zurückgehen, um die Umstände zu verstehen, die zu dieser über 1100 Kilometer langen Reise führten.
September 1962: Die Wunden der beiden Weltkriege sind noch in allen Köpfen, als General de Gaulle im September 1962 sechs Tage lang Deutschland besucht. Von München bis Hamburg wirbt er für die Aussöhnung und die deutsch-französische Freundschaft. Düsseldorf ist Teil seines Besuchsprogramms. Wie schon in Ludwigsburg lädt er in einer berühmt gewordenen Rede die deutsche Jugend ein, Frankreich zu entdecken und den Schritt zu einem persönlichen Kennenlernen zu wagen.
Unter den Zuhörern des französischen Präsidenten befanden sich damals auch Rolf Cornelißen und seine Schüler. Er hat den Wahnsinn des Krieges nicht vergessen, der ihn in den letzten Monaten des Konflikts mit 17 Jahren an die Front zwang, als das Naziregime die letzten Reserven für die Verteidigung des Reiches requirierte. Dieses Ereignis sollte ihn nachhaltig prägen.
Nach diesem Besuch Charles de Gaulles auf der anderen Seite des Rheins wurden die Beziehungen zwischen dem französischen Präsidenten und dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer allmählich immer enger. Ein Jahr danach unterzeichneten Frankreich und Deutschland den « Elysée-Vertrag » als Grundlage künftiger Beziehungen. Zugleich wurde mit der Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) und dem Aufschwung der Städtepartnerschaften zwischen beiden Ländern der Weg der Versöhnung beschritten.
1965 erhielt die Stadtverwaltung von Fouesnant vom DFJW ein Rundschreiben, in dem die Gemeinden aufgefordert wurden, Begegnungen zwischen deutschen und französischen Jugendlichen zu organisieren. Im Oktober desselben Jahres berichtete der Inspektor für Jugend und Sport aus Quimper den Gemeinden im Departement Finistère von seiner Reise ins nördliche Rheinland-Westfalen und leitete die Kontaktdaten seines deutschen Amtskollegen aus dem Kreis Kempen-Krefeld, Herrn Otto Bremberg, weiter.
Louis Le Calvez, Bürgermeister von Fouesnant, nahm diese Informationen auf und besprach sie mit seinem Stellvertreter Louis L’Helgouach, einem ehemaligen Soldaten und Gründer der bretonischen Tanzgruppe « Pintiged Foën ». Nach einigen Monaten des Nachdenkens beschloss er im Februar 1966, Kontakt mit Herrn Bremberg aufzunehmen. Dieser schlug die Gemeinde Willich als möglichen Austauschpartner vor. Das DFJW stimmte einem ersten Treffen zu und sorgte für die Finanzierung der Reisekosten. Doch einen Monat später lehnte die Stadt Willich das Austausch-Angebot ab. Die Enttäuschung auf Seiten Fouesnants war groß.
Im August 1966 wurden neue Kontakte mit der Stadt Wiesbaden geknüpft, die jedoch keinen Erfolg brachten.
Louis Le Calvez gab jedoch nicht auf. In der Rheinischen Post wurde eine Anzeige geschaltet: « Wer sucht eine Partnerstadt? ». Ich!, rief Rolf Cornelißen, als er die Anzeige las. Und so ließ, er sich wenige Monate später auf das Abenteuer « Aufbau einer Städtepartnerschaft » ein.
Dem Besuch der kleinen deutschen Delegation in Fouesnant im März folgte schon Ende April der Aufenthalt einer kleinen Gruppe von Vertretern aus Fouesnant in Strümp. Schon im August 1967 fand der erste Jugendaustausch statt. Rolf Cornelißen – Coco genannt – kam Anfang August mit etwa 40 Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren mit der Eisenbahn am Bahnhof von Quimper an. Nur kurz darauf folgte der Gegenbesuch der Tanzgruppe « Pintiged Foën » unter Louis L’Helgouac’h in Strümp. Damit begann ein jährlicher Jugendaustausch von jeweils rund 50 Personen während der Sommerferien.
Die Stadtverwaltung von Fouesnant führte 1968 kostenlose Deutschkurse für die Bevölkerung ein, die zweimal pro Woche stattfanden. An diesen Kursen nahmen etwa 30 Jugendliche und Erwachsene teil. Parallel dazu setzten die beiden Gemeinden und Rolf Cornelißen ihre Kontakte fort und es wurde beschlossen, eine offizielle Städtepartnerschaft zu gründen.
Der Partnerschaftsvertrag wurde am 21. Juli 1968 in Fouesnant und am 18. August desselben Jahres in Strümp unterzeichnet. Im September wurde in Fouesnant ein Partnerschaftskomitee gegründet. Vorsitzende war Marie-Louise Le Carre.
1970 begann in Nordrhein- Westfalen Deutschland eine große Gebietsreform. Zu dieser Zeit war Strümp ein Dorf von knapp 2000 Einwohnern; in Fouesnant lebten damals etwas weniger als 4000 Menschen. Durch den Zusammenschluss der Ortschaften Büderich, Osterath, Lank-Latum, Strümp, Ossum-Bösinghoven, Langst-Kierst, Nierst und Ilverich entstand die Stadt Meerbusch.
Was bedeutete das für die Partnerschaft Strümp-Fouesnant ? Das Dorf Strümp war in der neuen Stadt aufgegangen. Die Finanzen wurden neue geregelt. In Fouesnant war man besorgte wegen der höchst unterschiedlichen Bevölkerungszahl, denen die neue Die Stadt Meerbusch verfolgt jetzt über 47 000 Einwohner. Nach einigen Gesprächen zwischen Louis Le Calvez und Ernst Handschumacher, dem ersten Bürgermeister von Meerbusch, waren sich die beiden Politiker einig, dass die Partnerschaft zwischen beiden Gemeinden fortgesetzt werden sollte. Der Partnerschaftsvertrag zwischen Fouesnant und Meerbusch wurde 1971 unterzeichnet. So entwickelte sich die Städtepartnerschaft in aller Ruhe weiter.
1974 kam es zu einem Paukenschlag: Der Landtag von Nordrhein-Westfalen beschließt, Meerbusch aufzulösen und die Stadtteile zwischen den Städten Krefeld und Düsseldorf aufzuteilen. Eine solche Entscheidung bedeutete das Ende der Städtepartnerschaft. Doch die junge Stadt und ihr Bürgermeister kämpfen mit allen juristischen Mitteln um ihren Erhalt. Der Rechtsstreit dauert zwei Jahre, bevor Meerbusch vom Oberlandesgerciht in Münster in seiner Existenz bestätigt wird.
Ab 1972 wurde auf Initiative von Sportlehrern ein neuer Austausch ins Leben gerufen: Junge Sportler verschiedener Disziplinen treffen sich seither jedes Jahr, abwechselnd in Meerbusch und in Fouesnant. An diesen Begegnungen nahmen viele Jugendliche begeistert teil.
Der Jugendaustausch wurde mit großen Gruppen (bis zu 50 Jugendlichen in jeder Gruppe) fortgesetzt, auch wenn die Unterbringung in Fouesnant im Sommer komplizierter war. Traditionell vermieteten viele Familien ihre Häuser und Wohnungen während der Sommersaison und viele Jugendliche arbeiteten im Sommer in den Geschäften und Hotelrestaurants.
Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, schlug der Bürgermeister von Fouesnant, Louis Le Calvez, 1973 der Stadt Meerbusch ein 4000 m2 großes Grundstück umsonst an, auf dem ein « Meerbusch-Haus » gebaut werden könne, um die Gruppen aus Deutschland unterzubringen. Die Kosten für den Bau solle Meerbusch tragen. Nach langen Diskussionen wurde dieses Angebot von der Stadtverwaltung Meerbusch abgelehnt.
Zu dieser Zeit traten Jean-Pierre Bazin und Hélène Bazin als Ehrenamtliche in das Partnerschaftsteam ein und wurden von Hilde und Rolf Cornelißen empfangen. Beide Paare verstanden sich von Beginn an ausgezeichnet. Ihre Freundschaft sollte vier Jahrzehnte lang der Schlüssel zum Erfolg der Städtepartnerschaft sein.
Während dieser Zeit widmeten sie sich den verschiedenen Austauschen und verzichteten auf private Sommerurlaube. Sie prägten die Partnerschaft mit ihrem unermüdlichen Engagement für die Jugend.
1974 begleiteten Jean-Pierre und Hélène zum ersten Mal die Jugendgruppe aus Fouesnant nach Meerbusch. Für sie war es die Feuertaufe, aber auch für den jungen Eric Ligen, der Meerbusch zum ersten Mal in ihrer Begleitung kennenlernt.
Jean-Pierre und Hélène Bazin betreuten die Gruppen bis 1990 ununterbrochen und führten die jungen Fouesnanter und Meerbuscher in unterschiedlichste Regionen Deutschlands während oft mehrtägiger Exkursionen nach Berlin, Süddeutschland, England, Irland und auf viele bretonische Inseln. Jean-Pierre Bazin löste 1977 Marie-Louise Le Carre als Vorsitzender des Partnerschafts-komitees in Fouesnant ab.
Im Laufe des Jahrzehnts wurden die Austausche auf mehreren Ebenen erweitert. Zunächst äußerten die Eltern der Jugendlichen, einen « Erwachsenen »-Austausch » ins Leben zu rufen. 1976 übernahmen Renate Rosenbaum und Armelle Le Roy die Leitung dieser neuen Gruppe, die sich jedes Jahr in Fouesnant oder Meerbusch traf und darüberhinaus eine Reihe gemeinsamer Reisen in verschiedene Länder Europas von Polen bis Irland oder Italien organisierte.
Es folgten in den 1980er Jahren weitere Austausch-Begegnungen: Feuerwehrleute, Polizisten, Banker, Mitglieder politischer Parteien, Fahrradfahrer, Bäcker, Schachspieler, Chöre, Landwirte, Jäger, Priester und Pastoren.
Die Jahrestage der Unterzeichnung der Städte-partnerschaft wurden zum Anlass für gemeinsame Stadtratssitzungen der beiden Städte genommen.
1979 wurde in Fouesnant vom DFJW ein Treffen der deutsch-französischen Städtepartnerschaften der Bretagne organisiert. Am selben Wochenende sah man eine Amateurtheatergruppe des Gymnasiums Strümp, die im Gemeindehaus vor ausverkauftem Haus ein Stück auf Deutsch aufführte.
Ein Jahrzehnt später geriet die Städtepartnerschaft jedoch in eine Krise: Im April 1989 waren viele Meerbuscher von der Idee eines Fischmarktes auf dem Lanker Platz begeistert. Fast 700 Kilo Fisch und Krustentiere (größtenteils vorbestellt) wurden bei guter Stimmung verkauft.
Nach diesem Erfolg ließ sich das Partnerschaftskomitee von Fouesnant in ein Abenteuer verwickeln, das ihm durchaus hätte zum Verhängnis werden können: Sie wurden von den Organisatoren eines großen Volksfestes in Düsseldorf dazu überredet, an ihrer Veranstaltung im August teilzunehmen. Berauscht von ihrem Erfolg im Frühjahr bestellen sie tonnenweise Fisch und Langoustinen. Das Fest wurde verkaufsmäßig zum Desaster und die Organisatoren kehrten mit einem abgrundtiefen Defizit nach Fouesnant zurück.
Die in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Lieferanten fordern ihre Schulden ein, der Partnerschaft drohte der Konkurs mit schweren Konsequenzen für ihren Vorsitzenden. Nach Monaten großer Unsicherheit, aber auch großer Solidarität innerhalb des Partnerschafts-komitees und seitens der Gemeinden des Kantons wurde eine Lösung gefunden.
Die Gemeinde übernahm die Schulden und verpflichtete das Partnerschaftskomitee zur Rückzahlung der Schulden über eine Zeitraum von 20 Jahren. Daher wurden jedes Jahr mehrere Feste organisiert, mit denen die Kassen aufgefüllt werden konnten, darunter die berühmten Bierfeste, bei denen bis zu 2500 Liter Altbier ausgeschenkt wurden.
Die Städtepartnerschaft wurde trotz dieser Schwierigkeiten mit neu gewonnener Gelassenheit fortgesetzt. Die Schulen übernahmen den sommerlichen Jugendaustausch. Auch die Grundschulen machten mit. Sie sind das unverzichtbare Bindeglied zur Jugend.
Hélène Bazin hatte 2005 die Idee, die ehemaligen Teilnehmer der Jugendaustausche aus den ersten 25 Jahren der Städtepartnerschaft zusammenzubringen. Dazu trafen sich etwa 80 Personen im Februar 2004 in der städtischen Mensa. Coco war extra angereist, um all die inzwischen erwachsenen Teenager wiederzusehen; er organisierte seinerseits ein Treffen in Meerbusch. Die Idee wurde geboren, sich nach 40 Jahren erneut wiederzusehen. Und das Wunder der Städtepartnerschaft wiederholte sich: Man traf nach Jahrzehnten Freundinnen und Freunde wieder und verstand sich sofort so gut, als hätte man sich am Vorabend verabschiedet. Der Austausch der « Anciens Jeunes » war entstanden und wird nach und nach die Rolle derer übernehmen, die ihnen so viel gegeben haben.
Im März 2014 erhielt Rolf Cornelißen für seine Verdienste um die Partnerschaft den Ehrenring der Stadt, die höchste Auszeichnung der Stadt Meerbusch. Er übergibt die Leitung des Partnerschaftskomitees an Gabi Pricken, gleichzeitig führt Eric Ligen das Komitee zusammen mit Jean-Pierre Bazin bis 2016 als stellvertretender Vorsitzender.
Hélène Bazin starb Ende 2014 und ließ die Städtepartnerschaft verwaist zurück.
Ihr großer Freund Coco starb einige Monate später. Sein Tod löste sowohl in Meerbusch als auch in Fouesnant große Emotionen aus, da er alle, die ihn kannten, so sehr geprägt hatte.
Die Jahre vergehen und neue Austausche entstanden : Künstler, Keramiker, Musikschulen, Praktikanten und Sommerjobs, aber auch die Rückkehr des Jugendaustauschs während des Sommers.
An den Gedenkstätten der Kriege, in denen sich die beiden Länder im letzten Jahrhundert gegenüberstanden, wurden ergreifende Begegnungen organisiert.
Gabi Pricken und Eric Ligen haben nun die Leitung der Städtepartnerschaft übernommen und werden dabei von einem leidenschaftlichen Team unterstützt. Die Anciens Jeunes sind nicht mehr so jung, und so sorgen auch sie für den Nachwuchs und die Fortsetzung dieses schönen Abenteuers, bei dem in den letzten 55 Jahren Tausende von Teilnehmern ihre Partnerstädte erkundet, feste Freundschaften geschlossen und manchmal auch die Liebe gefunden haben. Aber es ist immer noch die gleiche Einfachheit, die bei den Begegnungen herrscht, die Spontaneität der Anfänge ist immer noch sehr präsent.
« A toi pour toujours » Dieser Ausdruck, den Rolf Cornelissen gerne benutzte, wenn er von der Städtepartnerschaft sprach, hallt noch lange in den Herzen von Meerbusch und Fouesnant nach.